Heb@DigiEdu – Digitales Lehren und Lernen in den Studiengängen Hebammenwissenschaft/Hebammenkunde

Durch die Coronapandemie im Jahr 2019 konnten digitale Lehr- und Lernformate vermehrt angewendet und untersucht werden  (Grogorick und Robra-Bissantz 2021). Dabei wurde festgestellt, dass „Blended - Learning“ Formate, d.h. eine Kombination von Präsenz- und digital gestützter Lehre/ E-Learning (sog. „Online“-Lehre), im Vergleich zu traditionellem Lernen signifikant effektiver sein können (Vallée et al. 2020). 

Ein „Blended- Learning“ Format ist das „Flipped Classroom“ – Konzept, in dem im Vergleich zu traditioneller Lehre die Vermittlungs- und Vertiefungsphasen „getauscht“ werden. Die Inhaltsvermittlung und -erschließung findet nicht in der gemeinsamen Präsenzphase, wie beim traditionellen Unterricht statt, sondern selbstständig im Vorfeld durch den Einsatz digitaler Medien (z.B. über Lernvideos). Im gleichen Setting erfolgt eine eigenständige Überprüfung des Lernfortschritts durch Online-Aufgaben. Die nachgeschaltete Präsenzphase, die auch digital unterstützt werden kann, dient der Vertiefung, Übung oder Diskussion des „Gelernten“ im kollegialen und tutoriellen Austausch (Handke und Sperl 2017). 

Dieses Konzept fördert nicht nur (digitale) Medienkompetenzen von Lehrenden und Lernenden, sondern auch selbstorganisierte Lernprozesse von Studierenden, eigenständiges Einschätzen des Lernerfolgs und Beratungs- und Problemlösungskompetenzen im Austausch mit Kommilitonen und Tutoren (Kenner und Jahn 2016). Durch die Auslagerung der theoretischen Wissensvermittlung aus der Präsenzphase wird im Tutorium wertvolle Zeit für die individuelle Unterstützung, Anwendung und Vertiefung gewonnen (Werner et al. 2018). Für die Outcomes Fachkompetenz, Leistungsniveau und Zufriedenheit von Studierenden in Gesundheitsfachberufen konnte für dieses Format eine Evidenz im Vergleich zu traditionellen Lehrmethoden gefunden werden (Naing et al. 2023). 

Das „Flipped Classroom“ - Konzept nutzt die Potentiale von digitalen Medien in seinen beiden Lernphasen (Kenner und Jahn 2016). Ihre Einbindung in Lehr und Lernszenarien bleibt dabei eine individuelle Herausforderung der Lehrenden (Grabowski und Pape 2016). Die persönliche Einstellung und Haltung von Lehrenden zu digitalen Medien und die Einschätzung ihrer digitalen Kompetenz korrelieren mit ihrem Angebot von digitaler Lehre und der Vielfalt ihres Medieneinsatzes (Ortmann-Welp 2021). Zur Ermittlung des aktuellen Standes digitaler Kompetenz und deren individueller Weiterentwicklung wurde das „Kompetenzraster zur Erfassung `Digitaler Kompetenz´ von Hochschullehrenden“ entwickelt, mit einem darauf basierenden und validierten Fragebogen (Eichhorn 2019).


In der akademischen Ausbildung von Hebammen ist die Möglichkeit digitale Lehr-/Lernformen anzubieten gesetzlich verankert. Dazu formuliert die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen (HebStPrV) in §2 Abs. 4: „Lehrformate, die selbstgesteuertes Lernen oder E-Learning beinhalten, können zielgerichtet bei der Konzeption der theoretischen und praktischen Lehrveranstaltungen in einem angemessenen Umfang berücksichtigt werden“ (Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen (HebStPrV) 2020). Damit besteht die Möglichkeit „Flipped Classroom“ – Konzepte im Studiengang Hebammenwissenschaft anzubieten. 

Für angehende Hebammen steht die Förderung von Handlungskompetenz in problemorientierten Situationen im Vordergrund, die digitalen Medien können hierbei eine aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten und eigene „Problemlösungskompetenzen“ fördern (German Science And Humanities Council 2022). Bisher sind noch keine Vorgaben für den digitalen Einsatz, den Aufbau und die Umsetzung von „Flipped Classroom“ - Konzepten für das Hebammenstudium formuliert, jedoch bestehen Empfehlungen für die curriculare Verankerung und die praktische Lehr- und Lernumsetzung von „Blended – Learning“ Konzepten in Gesundheitsberufen (Hege et al. 2020), die eine Strukturierungs- und Orientierungshilfe für die individuelle Umsetzung von „Flipped Classroom“ - Angeboten im Studiengang Hebammenwissenschaft geben könnten. Denn ohne sie sind sowohl die E-Learning-Inhalte, als auch die Verwendung und der Einsatz der zu benutzenden Tools und ihre didaktischen Verknüpfungen individuell von den einzelnen Lehrenden abhängig (Hoffmann et al. 2015).


Bisher wurde noch nicht untersucht, wie die Lehrenden der Studiengänge Hebammenwissenschaft/ Hebammenkunde ihre digitale Kompetenz einschätzen, welche Erfahrungen sie bisher mit digitaler Lehre und dem „Flipped Classroom“ - Konzept gesammelt haben und welche Bedarfe sie für die Umsetzung dieses Konzeptes haben.  
 

Daraus leiten sich folgende Fragestellungen für das geplante Promotionsvorhaben ab:

•    Wie schätzen Lehrende in den Studiengängen Hebammenwissenschaft/Hebammenkunde ihre digitale Kompetenz ein?

-    Welche digitalen Lehrerfahrungen haben Sie bisher gesammelt?
-    Welche Berührungspunkte hatten Sie bisher mit dem „Flipped Classroom“- Konzept?

•    Welche Bedarfe haben die Lehrenden hebammenwissenschaftlicher Studiengänge um „Flipped Classroom“ - Konzepte umzusetzen?

Methode

Die ausgewählte Methode der Studie „Heb@DigiEdu“ ist das sequenzielle explanative Mixed- Methods Design, das auch „erklärendes oder vertiefendes Design“ genannt wird (Kuckartz 2014).

Die „Heb@DigiEdu“ Studie besteht aus zwei Phasen. In Phase 1 der Studie wird eine quantitative Online- Umfrage mit Lehrenden der Studiengänge Hebammenwissenschaft/Hebammenkunde zu ihren digitalen Lehrerfahrungen, ihrer Einschätzung digitaler Kompetenz und ihren bisherigen Berührungspunkten mit „Flipped Classroom“ - Konzepten durchgeführt und anschließend statistisch ausgewertet. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird ein Interviewleitfaden erstellt, mit dem anschließend in Phase 2 der Studie 10 Expert*inneninterviews (mit Lehrenden) durchgeführt werden sollen. Abschließend findet die Integration der Daten statt, und die Ergebnisse werden zusammengeführt.
 

 

Literaturverzeichnis

  • Eichhorn, M. (2019). Fit für die digitale Hochschule? Modellierung und Erfassung digitaler Kompetenzen von Hochschullehrenden. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 36, 63–80. doi:10.21240/mpaed/36/2019.11.13.X
  • German Science And Humanities Council. (2022). Empfehlungen zur Digitalisierung in Lehre und Studium.
  • Grabowski, S. & Pape, A. (Dezember 2016). Digitales Lehren und Lernen. Nexus Impulse für die Praxis (Nr.12) (Hochschulrektorenkonferenz, Hrsg.), Bonn.
  • Grogorick, L. & Robra-Bissantz, S. (2021). Digitales Lernen und Lehren: Führt Corona zu einer zeitgemäßen Bildung? HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 58 (6), 1296–1312. doi:10.1365/s40702-021-00806-z
  • Handke, J. & Sperl, A. (2017). Das Inverted Classroom Model: De Gruyter.
  • Hege, I., Tolks, D., Adler, M. & Härtl, A. (2020). Blended learning: ten tips on how to implement it into a curriculum in healthcare education. GMS Journal for Medical Education 37 (5). doi:10.3205/zma001338
  • Hoffmann, K., Geiger, K. & Schwager, M. (2015). Mit dem Computer lesen? Deutsche Hebammenzeitschrift (DHZ) (07/2015). https://www.dhz-online.de/no_cache/archiv/archiv-inhalt-heft/archiv-detail-leseprobe/artikel/mit-dem-computer-lernen/.
  • Kenner, A. & Jahn, D. (2016). Flipped Classroom – Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht. Tutorienarbeit im Diskurs III - Qualifizierung für die Zukunft. doi:10.25656/01:12962
  • Kuckartz, U. (Hrsg.). (2014). Mixed Methods. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.
  • Naing, C., Whittaker, M. A., Aung, H. H., Chellappan, D. K. & Riegelman, A. (2023). The effects of flipped classrooms to improve learning outcomes in undergraduate health professional education: A systematic review. Campbell systematic reviews 19 (3), e1339. doi:10.1002/cl2.1339
  • Ortmann-Welp, E. (2021). Digitale Kompetenzen für Lehrende und Lernende. Pflege Zeitschrift 74 (4), 40–44. https://link.springer.com/article/10.1007/s41906-021-0999-5#citeas.
  • Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen (HebStPrV). (2020). https://www.gesetze-im-internet.de/hebstprv/BJNR003900020.html.
  • Vallée, A., Blacher, J., Cariou, A. & Sorbets, E. (2020). Blended Learning Compared to Traditional Learning in Medical Education: Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of medical Internet research 22 (8), e16504. doi:10.2196/16504
  • Werner, J., Ebel, C., Spannagel, C. & Bayer, S. (Hrsg.). (2018). Flipped Classroom - Zeit für deinen Unterricht. Praxisbeispiele, Erfahrungen und Handlungsempfehlungen. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.