HAWK-Masterstudierende präsentieren Nutzungskonzepte für alte Schulgebäude

Erscheinungsdatum: 14.08.2025

Was wird aus der alten Grundschule in Achtum, wenn diese bald umzieht? Diese Frage beschäftigt nicht nur den Ortsrat seit Längerem, sondern ein Semester lang auch angehende Architekt*innen der HAWK. Bei einer Präsentation in Achtum vor rund 60 Interessierten zeigten sie kreative und teils ungewöhnliche Konzepte. Die Vielfalt der Vorschläge soll neue Impulse bringen – auch für die Dorfgemeinschaft und die lokale Politik.

Mit dem bevorstehenden Umzug der Achtumer Grundschule an einen neuen Standort wird das langjährig genutzte Gebäude mitten im Dorf bald leer stehen. Für den Ortsrat und zahlreiche Bürger*innen eröffnet sich damit die Frage, wie mit dem zentral gelegenen Areal künftig umgegangen werden soll. Um Ideen für die Nachnutzung zu entwickeln, holte der Ortsrat die HAWK ins Boot. Neun Architekturstudierende des Masterstudiengangs „Bauen im Bestand“ entwarfen im Rahmen ihres Semesterprojekts alternative Nutzungsmöglichkeiten für Schulgebäude und die Ortsmitte.

 

Wie die stellvertretende Ortsbürgermeisterin und HAWK-Mitarbeiterin Anja Markwart betont, ist die Entscheidung für den Schulneubau ein Gewinn für Achtum. Zugleich stellt sich eine neue Herausforderung: „Somit wird in bester Dorfmitte ein Gebäude und ein Grundstück frei. Das liegt direkt neben der Kirche und wir wollten von unserer Dorfgemeinschaft letztendlich Ideen sammeln, wie man das Ganze umnutzen kann.“  

Der Wunsch – und notgedrungen auch die Sorge vor Leerstand – spiegelte sich in vielen Gesprächen im Vorfeld der Präsentation wider. Die Bürger*innen sowie die lokale Politik hoffen auf ein zukunftsweisendes Konzept, das die verschiedenen Bedürfnisse des Dorfs aufnimmt, aber auch die Ortsmitte als Begegnungsraum wiederbelebt. „Wir als Ortsrat Achtum träumen davon, wie auch viele unserer Bürger*innen, dass unsere Wünsche für die Dorfmitte hier irgendwie umgesetzt werden können“, so Anja Markwart.

Anmoderiert wurde die Präsentation der Semesterarbeiten von Prof. Peter-Karsten Schultz, der auch die fachliche Betreuung des Projekts zusammen mit seiner Kollegin Sonja Tinney übernommen hatte.  Es gehe bei „Bauen im Bestand“ nicht um radikalen Abriss, sondern darum, die vorhandene Bausubstanz klug und ideenreich weiterzuentwickeln, sagte er einleitend: „Früher hätte man vermutlich Tabula Rasa gemacht, aber heutzutage muss man natürlich immer genau hinschauen. Taugt der Bestand? Wie kann man den Bestand umbauen und welche Qualitäten kann ich da herausziehen?“

Die Studierendenentwürfe zeigten eine hohe Bandbreite: Sie reichten von behutsamen Umgestaltungen bis hin zu ambitionierten Vorschlägen. So präsentierte Katharina Mehring das Modell „Glashöfe Achtum – Dorf-Mitte-Gemeinschaft“, das auf einen Mix aus Bewahrung und innovativer Ergänzung setzt. Die leerstehenden Gebäude sollen als Dorfwohnzimmer, Veranstaltungssaal und Gästehaus genutzt werden, ergänzt durch verglaste Neubauten, die Dorfcafé, Dorfladen und zentrale Räume für die Gemeinschaft schaffen. „Die Glashöfe Achtum sollen fünf zentrale Funktionen vereinen: Ein Gebäudeensemble, das als sozialer Knotenpunkt dient, ein Raum für Nachbarschaft, Versorgung und Kultur“, so Mehring.

Sarah Peinemann skizzierte mit „Radquartier 38“ einen neuen Fokus auf Radtourismus und Gemeinschaftsleben. Achtum liege verkehrsgünstig an einem bedeutenden Radweg und biete so Potenzial für Übernachtungsangebote, Werkstatt, Café und flexible Veranstaltungsflächen – auch für die Dorfgemeinschaft selbst.

Einen anderen Ansatz verfolgte Clarissa Mohr. Ihr Entwurf „Szenenwechsel zwischen Ziegeln und Zeitgeist“ stellt das Miteinander von historischen Hofstrukturen und modernen Interventionen in den Mittelpunkt. Mohr schlug vor, mit mehreren Neubauten zwei zentrale Höfe zu schaffen – einen Gemeinschaftshof mit Kneipe, Veranstaltungssaal und Tauschbörse, und einen Lehrgarten für lokale Landnutzung. „Es sollen nach außen historische geschlossene Ziegelfassaden zu sehen sein und innen sich durch aufgebrochene und dynamische Strukturen eben ein Bild zeitgenössischer Architektur ergeben“, so Mohr zu ihrem Entwurf. Das ehemalige Hauptgebäude könnte als Musikhaus weitergenutzt und damit ein Lern- und Kulturort werden.

Der Vorschlag von Niklas Müller ging etwas weiter: Sein Konzept „Achtung rundum“ rekonstruiert die Dorfmitte als vielfältigen Erlebnis- und Begegnungsraum, in den sogar eine neue Sonntagsecke mit Café, Bushaltestelle und Verkaufsautomaten integriert wird – Müller dazu: „Der historische Ortskern wird neben diesen ganzen Neubaugebieten hier dann mal wieder richtig mit Leben gefüllt, was ja oft durch den demografischen Wandel ein bisschen verloren geht.“

Der Entwurf von Nils Jabusch brach mit eher traditionellen Nutzungsformen: Er entwarf das ehemalige Schulgebäude als Festival- und Konzertstandort – mit der Vision, Achtum in Anlehnung an bekannte Musikorte wie Wacken und Rock am Ring einen Namen zu geben. Eine große Bühne und Pavillon sollen den Forumscharakter stärken, inspiriert sei er von antiker römischer Architektur und dem Dialog zwischen Tradition und Großereignis gewesen. Jabusch räumte allerdings ein, dass sein Konzept etwas losgelöst sei: „Für mich war es spannend, auch mal absurd größer zu denken. Ich kann mir auch vorstellen, dass einige das hier für ein bisschen gewagt und absurd halten.“ Dennoch, so Jabuschs Eindruck, seien die Anwohner durchaus offen für ungewohnte Ansätze, solange sie den Diskurs anregen.

Mohammed Hamad schlug unter dem Titel „Achtum Refugium – Ein Haus für den Moment“ die Einrichtung einer Herberge mit ruhigen Aufenthaltsbereichen vor, die Reisenden wie Einheimischen als Rückzugsort dienen soll. Lara-Sophie Fuß entwickelte mit „Tante Achtum“ ein modernes Dorfladen-Konzept mit kleinem Café und Treffpunktcharakter, das die Nahversorgung sichern und soziale Kontakte fördern könnte. In „Achtum dampft“ präsentierte Michel Partikel die wohl unkonventionellste Vision: eine Therme im Ortskern, die Wellness, Erholung und neue Anziehungskraft für Besucher*innen verbinden sollte. Danijela Marcekovic wiederum transformierte in „Achtum mittendrin“ die alten Schulgebäude in ein flexibles Zentrum für Kultur, Bildung und Vereine, das den Ortsteil als lebendigen Mittelpunkt stärken könnte.

Die Gäste blieben bis zum Schluss der Präsentation, hinterher gab es viel Austausch zu den Entwürfen: Jule, eine Bewohnerin Achtums, brachte im Gespräch ihre Wertschätzung für die studentischen Impulse zum Ausdruck: „Es ist doch toll, wenn junge Menschen sich einfach das hier angucken und da Ideen von außen reinbringen. Macht wahrscheinlich mehr Sinn, als wenn wir hier Alteingesessene da irgendwas zu sagen.“  
Herr Frank, ein weiterer Anwohner, unterstrich die Notwendigkeit, die Gebäudestruktur zu erhalten und sinnstiftend zu nutzen – besonders im Hinblick auf generationenübergreifende Konzepte: „So eine Mischung aus Begegnungsstätte, Tiny House, dann vielleicht mit einem Konzept mit einem Café oder mit einer Kneipe oder so. Das wäre super.“ Zwar zeigte er sich skeptisch, ob alle studentischen Ideen sich tatsächlich umsetzen ließen, betonte aber den Wert, den neuen Perspektiven für die Dorfgemeinschaft hätten.

„Ich glaube, heute wurde der Gemeinde Achtum ein großes Potpourri an unterschiedlichen Möglichkeiten präsentiert, wie man mit der Ortsmitte und den alten Schulgebäuden umgehen und so ein bisschen über den Tellerrand auch hinausdenken kann“, zog Prof. Peter-Karsten Schultz ein Fazit, ohne die notwendige kritische Auseinandersetzung zu verschweigen: „Der Lerneffekt liegt für die Studierenden darin, realitätsnahe Aufgaben zu bearbeiten, die lokale Gegebenheiten und Interessen berücksichtigen – mit einem Spagat zwischen radikalem Denken und sensibler Umsetzung.“