Vom 17. bis 25. Mai 2025 reisten acht Studierende des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit zusammen mit Prof. Dr. Uwe Schwarze und der Lehrbeauftragten Vanessa Fleckenstein (Sozialarbeiterin und Schuldnerberaterin bei der Stadt Kassel) nach Mittelschweden. Ziel der Exkursion war es, im Rahmen eines Lehr(forschungs)projekts internationale Ansätze der Budget- und Schuldenberatung kennenzulernen und diese mit Methoden der Sozialen Arbeit in Deutschland zu vergleichen. Besucht wurden unter anderem die Mälardalen University sowie die Sozialen Dienste in Enköping und Eskilstuna.

Gründe privater Überschuldung über nationale Grenzen hinweg untersuchen

Einordnung der Exkursion in den Studienverlauf

Die Studienreise war Teil eines zweisemestrigen Lehr(forschungs)projekts, in dem die Studierenden und Lehrenden genauer die internationalen und lokalen Einflüsse auf Risiken der wachsenden Ver- und Überschuldung privater Haushalte und die jeweiligen Methoden der Budget-, Schulden- und Verbraucherinsolvenzberatung in der Sozialen Arbeit untersuchen. Das zweisemestrige Projekt endet im September 2025 mit detaillierten Berichten und einer Abschlusspublikation, für die vor Ort in Schweden Interviews erhoben und Passant*innen-Befragungen durchgeführt wurden.

Gründe für private Überschuldungen im Ländervergleich

Hintergrund des Projekts sind globale Entwicklungen, nach denen in westlichen Wohlfahrtsstaaten einkommensschwache Haushalte und auch Haushalte mit mittleren Einkommen in eine oft langjährige oder gar lebenslange Überschuldungsspirale geraten. So gelten in Schweden wie auch in Deutschland rd. 8-10% aller privaten Haushalte als „überschuldet“ (Stand: 2024). Häufig sind damit nicht nur die Zahlungsunfähigkeit, sondern auch Risiken wie Miet- und Energieschulden, Inkassokosten und faktisch oft auch massive Armutslagen verbunden. Lt. Statistischem Bundesamt waren 2024 in Deutschland rd. 5,56 Mio. erwachsene Personen „überschuldet“.

 

 Vielfach sind Kinder direkt oder indirekt von den Folgen betroffen. Gleichzeitig nimmt die private Überschuldung älterer Menschen ebenfalls in beiden Ländern erkennbar zu.  Aktuell mangelt es im deutschen Sozialstaat an niederschwelligen, präventiven und bedarfsgerechten kostenfreien Beratungsangeboten und viele Stellen einer „Sozialen Schuldnerberatung“ der Kommunen und Wohlfahrtsverbände führen lange Wartelisten. Diese sind häufig auch in Niedersachsen nicht transparent, wie eine Studie von Prof. Uwe Schwarze und Vanessa Fleckenstein für 2023 ergab.
Ein Ziel der Studienreise war es, im Ländervergleich vor Ort in Schweden genauer zu untersuchen, ob sich dort ähnliche Entwicklungen zeigen und welche Herausforderungen sich methodisch und sozialpolitisch für die schwedische Budget- und Schuldenberatung innerhalb der Sozialen Arbeit aktuell abbilden.
 

Verbindung von Theorie, Forschung, lokaler Praxis und Internationalisierung im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit

Im Rahmen des Lehrprojekts „Private Überschuldung im internationalen Kontext und lokale Soziale Schuldenberatung im Ländervergleich“ werden einerseits grundlegende Erkenntnisse, theoretische Befunde und der Stand der empirischen Forschung zu den Einflüssen, Ursachen, Auslösern und vielfältigen Wechselwirkungen privater Ver- und Überschuldung thematisiert. Ergänzend dazu finden die internationalen Entwicklungen, wie der Wandel zur digitalen Kreditwirtschaft und zum „Online-Shopping“, der Einfluss von EU-Richtlinien, sowie globale und strukturelle Grenzen der nationalen Sozialpolitik und der aktuelle Wandel von Sozialer Arbeit besondere Beachtung.

Mit Erasmus Plus nach Schweden

Um diese internationalen Dimensionen des Themas zu konkretisieren wurde mit einer Teilgruppe aus dem Lehrprojekt die Exkursion nach Schweden durchgeführt. Die Planung erfolgte von Beginn an gemeinsam mit den Studierenden und über eine sehr engagierte Begleitung durch das Akademische Auslandsamt der HAWK, das die Lehrenden bei allen Formalia im Kontext von „Erasmus Plus Staff Mobility“ verlässlich unterstützte. Die Erasmus-Partnerschaft mit der MDU in Eskilstuna ermöglichte den beiden Lehrenden, vor Ort drei Vorträge zu halten und an einem Workshop zur „Budget- und Schuldenberatung“ mit Fachkräften aus der Forschung und der Sozialberatung der Region Mälardalen an der Universität in Eskilstuna teilzunehmen. In diesem Kontext wird auch die gemeinsame Forschung in den kommenden zwei Jahren fortgesetzt und intensiviert.

Abwechslungsreiche Einblicke in das Studium vor Ort

Den Studierenden konnte unter anderem ein praxisnaher Zugang zu Sozialen Diensten der Stadt Enköping ermöglicht werden. Dort gaben drei Fachkräfte aus den Sozialen Dienste einen anschaulichen Einblick in die lokalen Bedingungen der Sozialen Arbeit. Es wurde Bezug auf das schwedische Wohlfahrtssystem, die Sozialhilfe, Suchtkrankenhilfe, die Finanzierung der Dienste, sowie auf die „Budget- und Schuldenberatung“ genommen. Als aktuelle gesellschaftliche und fachliche Herausforderung wurde das Thema „Kinderarmut“ beschrieben. Eines von fünf Kindern gilt in der Stadt Enköping als „armutsgefährdet“ – ein ähnlich hoher Wert wie vielerorts im deutschen Sozialstaat. 

 

Neben stark steigenden Mieten und Problemen am Arbeitsmarkt wurden die Notwendigkeit von längerfristigen Hilfen und die aktive Förderung der Selbsthilfefähigkeiten der Bürgerinnen und Bürger durch die Sozialen Dienste als weitere Herausforderungen in der Praxis von den drei Fachkräften genannt.
Der Studienbesuch an der Universität in Eskilstuna, die im Bereich „Nachhaltigkeit“ der Gebäude und Ausstattung mehrfach ausgezeichnet wurde, ermöglichte nicht nur die aktive Teilnahme im Alltag der Lehre, sondern bot beeindruckende Einblicke in die hohen Standards von Serviceleistungen, in die Bibliothek, Mensa und Organisation. Im Rahmen ihrer Teilnahme am englischsprachigen Seminar „Welfare State and Society in international and transnational Social Work“ von John Sandberg konnten die acht Studierenden der HAWK ihre Teilprojekte englischsprachig präsentieren und mit schwedischen Studierenden diskutieren. Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit den Studierenden aus dem Seminar bot eine Vorlesung von Prof. Jonas Stier zum Thema „Intercultural Communication“ vertiefende theoretische und empirische Erkenntnisse. Jonas Stier veranschaulichte diese auch anhand exemplarisch ausgewählter ländervergleichender sprachlicher und kommunikativer Besonderheiten, die „blinde Flecken“ für veränderte (Praxis)Kulturen für die Soziale Arbeit klar erkennen ließen.

Lokale Forschung - vor Ort in Schweden praktisch erprobt: Experteninterviews und Passant*innen-Befragung

Im Verlauf der einwöchigen Studienreise war schließlich noch ein Besuch bei der „Budget- und Schuldenberatung“ der Stadt Eskilstuna möglich. Vier Expert*innen berichteten detailliert aus dem kommunalen Beratungsangebot. Einer der Berater stand zudem für ein ausführliches Experteninterview zur Verfügung. Während in Deutschland die „Schuldenberatung“ häufig von Trägern der Wohlfahrtsverbände (AWO, Caritas, Diakonie, Der Paritätische, …) oder sogar privat-gewerblich angeboten wird, handelt sich in Schweden klar um eine kommunale Pflichtaufgabe, die vollständig aus Steuermitteln finanziert wird. 

 

Die Unterschiede und auch Gemeinsamkeiten in den Rahmenbedingungen, Methoden und in den Entschuldungs-verfahren wurden genauer diskutiert. Auch diese Kooperation mit der Stadt Eskilstuna soll 2025-2027 im Rahmen von Forschung und Lehre fortgesetzt und intensiviert werden. So konnten die Studierenden während ihres Aufenthaltes im Rahmen ihrer Teilprojekte eigene Forschungsmethoden im internationalen Kontext anwenden, etwa über die Erhebung eines qualitativen Experteninterviews und einer geplanten „Fallstudie“. Im Rahmen einer explorativen Datenerhebung werden auf Grundlage einer Passant*innen-Befragung, die an mehreren Tagen vor Ort durchgeführt wurde, außerdem die „Bekanntheit“ und der „Grad der Information“ von und über die Schuldenberatung in Deutschland und Schweden im Ländervergleich analysiert. Erste Ergebnisse der studentischen Forschungsprojekte werden im Herbst 2025 nachlesbar sein.

Intensivierung des Kontakts zur Partneruniversität: Auslandspraktika bzw. -semester möglich

Die einwöchige Studienreise war insgesamt nicht nur eine besondere Möglichkeit, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für die Soziale Arbeit am Beispiel des Handlungsfeldes der „Sozialen Schuldnerberatung“ auch außerhalb von Deutschland kennen zu lernen und sie in ihren internationalen und europäischen Kontexten zu verorten. Neben diesem fachlich-inhaltlichen Ertrag boten vor allem die persönlichen Kontakte zu den Lehrenden, Forschenden, Praktiker*innen und Studierenden, sowie die Gastfreundschaft der Kolleginnen und Kollegen an der Universität in Eskilstuna vielfältige Impulse und Möglichkeiten des informellen Austauschs. Auch eine eintägige „Stippvisite“ nach Stockholm mit den zahlreichen Museen und touristischen Highlights ergänzte das Programm. Ein besonderer Dank gilt dem Akademischen Auslandsamt der HAWK, das die Exkursion für die beiden Lehrenden erst ermöglicht hat. Für die Zukunft wurden die Türen für weitere Kooperationen mit der Partneruniversität geöffnet. Über die gemeinsame Forschung und Lehre hinausgehend sind für die Studierenden der HAWK individuell auch Auslandspraktika bzw. -semester möglich. Bei Interesse können sich Studierende gern an das Akademische Auslandsamt und/oder auch an Prof. Dr. Uwe Schwarze wenden.
 

Eckdaten zum Projekt

Studiengang
B.A. Soziale Arbeit (Hildesheim)

Studienbereich 
Soziales

Zeitraum 
Wintersemester 2024/25 und Sommersemester 2025

Externe Beteiligung
Mälardalen University (MDU) und die Sozialen Dienste der Städte Enköping und Eskilstuna 

Ziel 
Internationale Perspektiven auf die wachsende Ver- und Überschuldung privater Haushalte und die jeweiligen Methoden der Budget-, Schulden- und Verbraucherinsolvenzberatung in der Sozialen Arbeit untersuchen

Die Exkursion fand im Rahmen des zweisemestrigen Lehrprojekts "Private Überschuldung im internationalen Kontext und lokale Soziale Schuldenberatung im Ländervergleich" im Modul 12 im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit statt.