Die Akademische Lehrwerkstatt ist Teil der seit 2008 bestehenden Restaurierungswerkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut in Weimar-Legefeld: 2004 kam es in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) zu einem verheerenden Brand, bei welchem 118.000 Bände durch Hitze und Löschwasser schwer beschädigt wurden. Die spezialisierte Werkstatt behandelt mittels standardisierter Methoden der Mengenkonservierung und -restaurierung schwer(st) beschädigte Druck- und Handschriften. Die Akademische Lehrwerkstatt wurde 2019 in Kooperation von HAAB, HAWK und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) gegründet, um diese einzigartigen Methoden einschließlich der Kompetenzen der Methodenentwicklung in die Lehre zu integrieren und einen Wissenstransfer zwischen Institutionen zu ermöglichen.
Beispiel eines beschädigten Fragments einer Notenhandschrift. Der Brand und das Löschwasser haben zu Substanzverlust, Kontaminationen und Verwerfungen geführt. Die Konservierung soll ermöglichen, die Handschrift zu digitalisieren und die Informationen als Digitalisate interessierten Benutzer*innen zugänglich zu machen.
Die Akademische Lehrwerkstatt bietet Studierenden einen einzigartigen praxisorientierten Lernraum in der Werkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut. Theoretische und praktische Grundlagen des Studiums an der HAWK werden mit der Behandlung von schwer beschädigten Originalobjekten verknüpft. Bachelorstudierende werden in die Arbeitsteams integriert und erhalten die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten zu vertiefen sowie weitere restauratorische Techniken zu erlernen. Im Mittelpunkt stehen die Besonderheiten des Umgangs mit hitze- und löschwasserbeschädigten Papierfragmenten, die standardisierten Methoden der Papierstabilisierung (Einblicke siehe Abb. 2-5) sowie Fragen der Arbeitssicherheit und Arbeitsplatzorganisation. Die Lehrinhalte des Bachelorstudiengangs bereiten auf den Masterstudiengang und seine Inhalte der restauratorischen Methoden- und Materialentwicklung vor.
Die Akademische Lehrwerkstatt dient der angewandten Forschung, Methoden-/ Materialentwicklung und integriert diese in die Lehre. Studierende erweitern ihre im Studium erworbenen Kenntnisse zu analytischen Methoden der Papierrestaurierung, indem sie Zustandsuntersuchungen an schwer degradierten Objekten vornehmen, Behandlungsentscheidungen ableiten, begleitend die Qualität der Behandlungsergebnisse und der eingesetzten Restaurierungsmaterialien untersuchen. Sie werden auch in die Weiterentwicklung der Restaurierungsmethoden und -materialien eingebunden, u.a. durch Abschlussarbeiten. Die Lehrwerkstatt unterstützt Institutionen, deren eigene Kapazitäten / Möglichkeiten für Forschung und Entwicklung begrenzt sind, diese aber für die Behebung von schweren Schädigungen benötigen. Aktuelle Projekte befassen sich z. B. mit der Stabilisierung stark beschädigter Blätter einer ehemals verblockten genealogischen Schrift des Brandenburgischen Landeshauptarchivs sowie der Entwicklung von Methoden zur Fixierung ausblutender historischer Schreibmedien des 19. und 20. Jahrhunderts, um schwer beschädigte Dokumente des Bestandes der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ aus dem Bundesarchiv behandeln zu können.
Die Akademische Lehrwerkstatt steht für ein praxisorientiertes, interdisziplinäres Ausbildungskonzept, das auf den aktuellen Bedarf an qualifizierten Restaurator*innen sowie an Methoden für schwer beschädigtes Schriftgut reagiert. Sie leistet somit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt des schriftlichen Kulturerbes und ermöglicht Studierenden ein forschungsbasiertes und eigenverantwortliches Arbeiten in gemischten Praxisteams sowie die Mitarbeit an benötigten Weiterentwicklungen der Papierstabilisierung. Als Konzept und Angebot ist sie im internationalen Netzwerk der Bestandserhaltung einzigartig.
Die Lehrveranstaltungen finden regelmäßig im Bachelor- und Masterstudiengang statt.
